Höhlentauchen und Stierkampf auf offener Straße – Terceira

Die Azoreninsel Terceira ist ein unter Tauchern bekanntes Revier für Großfisch-, Wal- und Delfinbeobachtung. Also suchen wir uns eine Herberge in der Nähe des Hafens und der Tauchschule Deep Blue. Als wir dort vorstellig werden, fällt mir schnell die angenehme Art des Tauchschulinhabers und Tauchguides Nuno auf. Er ist ruhig und zurückhaltend und doch kann man am Strahlen seiner Augen sehen, dass Tauchen das Beste ist, was es für ihn auf dieser Welt gibt. Als erstes wird ein gemütlicher Checkdive am Cemitério das Ancoras, also am „Ankerfriedhof“ geplant. Dabei handelt es sich um eine große sandige Ebene von geringer Tiefe in der Bucht von Angra do Heroísmo. Geografische und meteorologische Gegebenheiten führen dazu, dass diese Bucht mit ihren Seitenwinden eine Falle für durchreisende Segelschiffe darstellt. In den letzten Jahrhunderten sind unzählige Kapitäne in diese verhängnisvolle Falle getappt. Viele sind mitsamt Boot und Crew auf den Boden der Bucht gesunken und bis heute hat man bei weitem noch nicht alle Fracks entdeckt. Manche Segler, die den Ernst der Lage rechtzeitig erkannten, entledigten sich im Angesicht des drohenden Unterganges des schwersten Ausrüstungsgegenstands, den sie an Bord hatten, nämlich des Ankers. Manche konnten so erleichtert gerade noch die Kurve kratzen und andere sanken trotz dieses verzweifelten Rettungsversuchs kurze Zeit später oder liefen auf eines der nahe gelegenen Riffe auf. Daher also der Name Ankerfriedhof.

Sofort nachdem wir ins uns rücklinks vom Schlauchboot ins Wasser fallen lassen, bemerke ich die wahnsinnig schlechte Sicht. Aber gut. Es ist ja nur der Checkdive. Wir flossern über sandige Ebenen mit gelegentlichen Ankern und sonstigen Wrackteilen. Die Fauna ist eher unauffällig, die Anker zeigen jedoch schönen Bewuchs mit Spiral Röhrenwürmern. Außer Fede und mir hat Nuno noch eine weitere Person bei diesem Tauchgang mit. Dabei handelt es sich allerdings um einen kompletten Anfänger, der noch nie getaucht ist und nur einen Schnuppertauchgang möchte. Da der arme Mensch keinen blassen Schimmer hat, wie man tariert und sich im Wasser auf- oder abwärts bewegt, detoniert er im ersten Moment, als Nuno ihn loslässt, in den Sandboden. Nicht ohne vorher eine Sandwolke von der Größe eines Atompilzes zu produzieren, versteht sich. Aber egal, die Sicht ist sowieso kaum verschlechterbar. Irgendwann „parkt“ Nuno den Schnuppertaucher an einer weit vorstehenden Planke eines Fracks um das Atompilzproblem zu lösen. Irgendwie tut mir der so geparkte, hilflose Sprudler leid – vollkommen zu Unrecht, wie sich nach dem Tauchgang herausstellt, als er begeistert über das unglaubliche Gefühl der Schwerelosigkeit während des Tauchganges schwärmt.

Schon ganz zu Beginn, als wir das erste Mal im Beep Blue- Büro waren, hat Nuno immer wieder eine geheimnisvolle und wunderschöne Höhle erwähnt. Ich habe zwar an Land keine Platzangst aber unter Wasser, wo man sich nicht verständlich machen kann und aufgrund von dickem Neoprenanzug, Jacket und Druckluftflasche extrem unbeweglich und klobig ist, fühle ich mich in engen Räumen nicht besonders wohl. Bei nächsten Tauchgang, so kündigt Nuno an, kommen wir zu einem steinernen Bogen, der innen sehr schön bewachsen sei. Der Bogen sei nur wenige Meter lang und wenn wir nicht durchtauchen wollten, dann könnten wir einfach oben drüber schwimmen und würden uns am Ausgang wieder mit der Gruppe treffen. Ich mache mir keine großen Gedanken dabei aber als wir zu besagtem Bogen kommen, fühle ich mich irgendwie unwohl. Man sieht zwar schon den Ausgang am anderen Ende aber ich lasse alle anderen vor mir in den Bogen hineinschwimmen und als mir alle den Rücken zugekehrt haben, flossere ich schnell und unbeobachtet über den Bogen hinweg um mich am anderen Ende wieder mit der Gruppe zu vereinen. Zu eng und unter Wasser – nein danke!

Nach diesem Tauchgang beginnt Nunos Hardcore-Propaganda für den Höhlentuchgang. Nachdem ich mich nicht einmal getraut habe, durch einen läppischen drei Meter langen Bogen zu tauchen, schlägt unser Tauchguide nun vor, uns in ein ausgewachsenes Höhlensystem mit Seitenkammern zu führen, das teilweise so eng ist, dass man nicht nebeneinander sondern nur hintereinander schwimmen kann. Ich bin nicht begeistert. Aber Nuno kann nicht aufhören von dem tollen Bewuchs und den weißen Seefedern zu sprechen, die wir in dieser Höhle finden würden. Da die Bedingungen für andere Tauchgänge im Moment nicht besonders toll sind, kann ich seine Argumentation irgendwie nachvollziehen: Durch die derzeit herrschende Strömung ist die Sicht im Allgemeinen sehr eingeschränkt. Im geschützten Höhlensystem herrscht keine Strömung und daher ist die Sicht auch deutlich besser. Wir verhandeln hin und her und überlegen anderen Optionen durch. Letztendlich kommen wir zu dem Kompromiss, dass wir uns zumindest den angeblich bildschönen Höhlenvorraum ansehen und dass ich nach der Besichtigung des Einganges per Handzeichen entscheiden kann, ob wir wirklich durchtauchen oder nicht. Nuno verspricht mir hoch und heilig, permanent an meiner Seite zu bleiben. Fedes Buddy wird ein erfahrener Taucher sein. Die beiden sollen mit etwas Abstand hinter uns in das Höhlensystem eintauchen um den von uns aufgewirbelten Partikeln etwas Zeit zu geben, sich wieder abzusenken. Dass Fede eigentlich erst sechs Tauchgänge in seinem Loggbuch hat und eigentlich ein kompletter Anfänger ist, bedenke ich bei den Vorbereitungsgesprächen zu diesem Tauchgang gar nicht. Als ich ihn frage was er zu diesem Tauchgang denkt, zuckt er die Achseln und sagt: „Hört sich cool an, vamos!“ Ok. Also starten wir, ich mit einem leicht euphorisch-mulmigen Gefühl, zum Höhlentauchgang. Zuerst schwimmen wir wieder in der relativ undurchsichtigen Suppe umher bis wir zum Fuß einer wenige Grad überhängenden Felswand kommen, die im Sand der Bucht fußt. Für einige Zeit schwimmen wir im Schatten dieser Wand an ihr entlang, bis wir zu einer trichterförmigen Vertiefung mit einem Durchmesser von etwa vier Metern in der Wand kommen. Beim Blick in den Trichter sehe ich trotz meiner Tauchlampe nur Dunkelheit und denke mir eigentlich nichts dabei bis Nuno energisch mit dem Finger in den Trichter deutet. Oh, das ist also der Vorraum zur Höhle. Sofort drehe ich mich wieder Richtung Trichter und leuchte nervös mit meinem Lämpchen zum tiefsten Punkt de Vertiefung um den Weiterweg in die eigentliche Höhle zu erspähen. Vergebens. Die Sicht ist so schlecht, dass die Wasser- und Planktonpartikel den Strahl meiner wohl etwas unterdimensionierten Tauchlampe vollkommen absorbieren und mich mit dem Gefühl von aufsteigender Panik zurücklassen. Ich will unbedingt wissen, wie groß oder klein der Eingang in die Höhle ist. An den wohl etwas hektischen Zuckungen meiner Lampe erkennt Nuno, dass es Zeit ist einzugreifen, wenn wir wirklich durch die Höhle wollen. In einem strategischen Meisterstreich nimmt Nuno sanft meine Hand und schiebt mich zum linken Rand des Trichters, wo sich winzige Shrimps in gelb, orange, rosarot und transparent im Strahl seiner Lampe tummeln. Ich bin fasziniert von den wunderhübschen kleinen Kreaturen. Danach geht es zum rechten Rand des Trichters wo wir eine Wiese von winzigen gelben Anemonen und die zuvor schon tausendfach angepriesenen weißen Seefedern erspähen. Ich bin begeistert. Uners Guide hat wirklich nicht zu viel versprochen. Nachdem ich mich also etwas beruhigt habe und Nuno meine Aufmerksamkeit vom Durchmesser des Höhleneinganges auf die tatsächliche Schönheit der hier lebenden Wesen gelenkt hat, kommt der entscheidende Moment. Nuno schaut mich fragend an und macht mit seinem Daumen abwechselnd ein Zeichen nach unten und nach oben. Nun muss ich mich also entscheiden. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“ denke ich entgegen meiner unterwasserklaustrophobischen Logik. Daumen hoch und los geht’s in die Höhle des Grauens! Wie versprochen bleibt Nuno an meiner Seite. Dicht nebeneinander bewegen wir uns in die Höhle hinein. Meine linke hält seine rechte Hand, je nach Grad der Klaustrophobie einmal locker und einmal verkrampft quetschend. Die Höhle ist gerade so groß, dass wir zu zweit durch passen. Unser Guide hilft mir, mein Unwohlsein unter Kontrolle zu halten, indem er mir immer wieder Tiere oder schöne Details der Vegetation zeigt, die er gerade entdeckt. Nach einigen Metern zweigen wir nach rechts in einen Raum ab, der etwa 3x3x3 Meter groß ist. Auch hier entdeckt er irgend einen besonderen Fisch. Ich bin zwar im Moment kurz entzückt, stelle dann aber fest, dass es aus diesem Rum nur einen Ausweg gibt – nämlich zurück durch den kurzen Gang aus dem wir aus der Haupthöhle hierher gekommen sind. Eigentlich sollten Fede und sein Buddy warten, bis wir aus dem Nebenraum zurück gekommen waren aber wie Fede mir später erzählt, hatte auch ihm die unwirkliche Dunkelheit im Höhleneingang und die Tatsache, dass meine und Nunos Flossen bald in der Finsternis verschwunden waren etwas zu schaffen gemacht, sodass er nicht zu lange warten wollte, ehe er uns mit seinem Buddy nachschwamm. Also ist der Gang zwischen Nebenraum und Hauptgang verstopft – nämlich mit Fede. Also muss Fede etwas zurück rangieren damit Nuno und ich aus dem Nebenraum ausparken und unseren Weg durch die Haupthöhle fortsetzen können. Nun kommt die Schlüsselstelle der Route: Von unten ragt ein zirka ein Meter hoher Block in den Hauptgang hinein und die Höhle verengt sich dergestalt, dass nur eine Person auf einmal durchpasst. Nuno schiebt mich vor sich her.  Ich spüre, wie die Flasche auf meinem Rücken sanft am Dach der Höhle kratzt. Mit den Händen schiebe ich mich über den Block, der fast meinen Bauch berührt. Hier ist es wirklich sehr eng. Aber sowie ich über den Block blicken kann, sehe ich das Licht am Ende des Tunnels!  Der Gang wird wieder weiter und formt einen zweiten Trichter, spiegelbildlich zu dem, durch den wir gekommen waren.  Kurz sehe ich mich noch im sich weitenden Höhlenausgang um und dann flossere ich entschlossen auf das freie Gelände vor dem Höhlenausgang zu. Ich bin so erleichtert mich wieder frei bewegen zu können und nicht mehr gegen aufkeimende Angstgefühle ankämpfen zu müssen, dass ich vor der Höhle mein Jacket vollständig entleere und mich in den Sand knie, wo ich tief durchatme und zufrieden auf die andern warte. Als erstes kommt mir Fede entgegen geschwommen. Auch er macht einen erleichterten und stolzen Eindruck und kniet sich neben mich. Wir halten uns an der Hand und führen ein zärtliches Gespräch aus Luftblasen, blubberndem Gelächter und der einen oder andern Freuden- und Stressabfallträne. Was für ein Abenteuer!

An Land erzählt Fede, dass er die Bedeutung der Phrase „grottenschlechte Sicht“ nun erst wirklich versteht.

Wir planen bereits unsere Weiterreise nach Sao Miguel, die Hauptinsel der Azoren, als wir feststellen, dass gerade pompöse Festlichkeiten zur Feier der Sommersonnenwenden auf Terceira stattfinden: Die Sanjoaninas sind eine Reihe von Festen zu Ehren des Schutzheiligen São João. Zehn Tage lang werden die Straßen von Angra do Heroismo zur Bühne für Festzüge, Konzerte, Stierkämpfe, Theateraufführungen, Feuerwerke und sportliche Wettbewerbe. Den Höhepunkt bilden aber die „Marchas Populares“, die großen Umzüge. Das müssen wir uns natürlich ansehen. Während eine schier unendliche Anzahl an bunt gekleideten Folkore Gruppen an uns vorbei zieht und ihre Tänzchen aufführt, sehen die Bewohner der Stadt von ihren mit bunten Decken geschmückten Balkonen zu. Fede will nach ungefähr zehn Minuten wieder gehen, da er derlei Umzüge in seiner Kindheit und Jugend in mehr als ausreichendem Maße in Andalusien genießen durfte/musste. Bei uns gibt es solche pompösen Umzüge nicht, daher lasse ich den Trubel auf mich wirken und genieße das bunte Durcheinander aus Hexen, Scharlatanen, Pagen, Hofdamen, Schönheitsprinzessinnen, Pferden, die aufgrund des Lärmes fast durchgehen und von ihren Herrchen und Frauchen nur mit Müh und Not im Zaum gehalten werden können, edlen Prinzen, Königinnen, Knechten, Seefahrern, Hofnarren und sonstigem, teilweise ziemlich seltsamen, Gesinde.

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Am nächsten Tag finden die Stierkämpfe statt. Ich bin ja prinzipiell kein Freund von barbarischen Ritualen, in denen Tiere zum Zwecke der menschlichen Belustigung gefoltert und abgeschlachtet werden, aber so sind die Stierkämpfe auf Terceira angeblich gar nicht. Ich bin zwar skeptisch aber auch neugierig. So informieren wir uns im Tourismuszentrum und pilgern dann jene Straße entlang, in der sich tags zuvor Hofdamen zugeknickst und Pferde vor lauter Panik ihre Enddärme auf roten Teppich entleert haben. Die Straße ist kaum wieder zu erkennen. Es herrscht eine gespenstische Stille und die Gehsteige, auf denen man sich gestern aufgrund der dichten Menschenmenge kaum bewegen konnte, sind heute leer. Am Ende der kopfsteingepflasterten Straße, wo diese in einen Platz mündet, steht ein LKW quer und versperrt den Weiterweg und die Sicht. Auf der Ladefläche des LKWs stehen mindestens 50 Personen mit dem Rücken zu uns. Sie alle haben ihre Blicke sehr konzentriert nach vorne gerichtet und geben kaum einen Laut von sich. Fede und ich klettern auf den dicht bepackten LKW und suchen uns einen Platz von wo aus wir uns einen Überblick über die Situation verschaffen können. Vor uns liegt ein großzügiger Platz an dessen südlichem Ende wir uns befinden.  Die Westseite des Platzes wird von einer Häuserfront gebildet, deren Balkone vollgestopft sind mit sensationshungrigen Zuschauern. Am nordwestliche Eckt der Plaza sind ebenfalls zwei LKWs mit provisorischen Tribünen geparkt, die ein Betrachten des Stierspektakels aus scheinbar sicherer Höhe ermöglichen. An der nördlichen und östlichen Begrenzung des Platzes befinden sich zwei Straßen, die nicht durch LKWs verstellt sind. Ich weiß zwar noch immer nicht genau, was mich jetzt eigentlich erwartet aber die Stimmung ist unglaublich: Es herrscht eine gespannte, erwartungsvolle Stille. Noch während ich mich umsehe und ein paar Fotos mache, hört man plötzlich ein anschwellendes Grölen das sich von der nördlichen Straße auf den Platz zubewegt und plötzlich auch den ganzen Platz erfasst: Zwei schwarze Stiere galoppieren von der nördlichen Straße kommend, drehen eine kurze Runde über den Platz und verschwinden sogleich auch wieder über die östliche Straße. Das skurrile an der Geschichte sind nicht die Stiere, sondern die Tatsache, dass sich Menschen, großteils Männer, freiwillig in die absehbare Laufbahn der Tiere begeben nur um dann hysterisch vor ihnen davon zu rennen. Schon schwillt das Raunen der Menge wieder zum Grölen an und neuerlich zeigen sich zwei Stiere im Laufschritt auf dem Platz. Einer jagt kurz einen jungen Burschen vor sich her, der sich in letzter Sekunde auf einen Baum retten kann. Der andere hält kurz inne um zu überlegen, welchen der todesmutigen möchteger-Toreros er sich vorknüpfen soll. Zuerst macht es den Eindruck, als ob er sich gar nicht entscheiden könnte, wen er als erstes fertig machen soll, so groß ist die Auswahl. Aber schließlich entscheidet er sich für einen Herren im gelben Poloshirt. Der mittelalterliche Kämpfer provoziert den eigentlich friedlich herumstehenden Stier mit einer großen gelb-rosaroten Decke so lange, bis dieser endlich ernsthaft die Verfolgung aufnimmt. Nach nur wenigen Metern Verfolgungsjagd wird klar, dass der Stier deutlich schneller ist als der Mensch und so verkriecht sich der Sekunden zuvor so wagemutige Mann in Windeseile hinter die schützenden Verkleidungen unseres LKWs. Fast zeitgleich kommt der Notarztwagen und nimmt einen Verwundeten mit Halskrause mit. Nach getaner (Verfolgungs-)Arbeit verlässt der Stier scheinbar zufrieden die Plaza. Wenige Minuten später erschein ein Grüppchen jüngerer Stiere. Einer davon lässt sich in der Ecke zwischen unserem LKW und der westlichen Häuserfassade einkeilen. Er wirkt verängstigt und steht im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand, die er aus Angst oder Stress mit seinen Exkrementen verziert. Mehrere putenbrüstige Jünglinge und auch unser Gelber Torero, der zuvor so heldenhaft davon gelaufen ist, versuchen das verängstigte Tier aus der Reserve zu locken. Der Stier steht nur wenige Meter entfernt von mir. Ich kann in seinen Augen sehen (oder zumindest bilde ich mir das in einem Anfall von ausgeprägter Stier-Empathie ein) dass es sich um ein friedliches, ja sogar liebevolles Wesen handelt, das eigentlich nichts lieber tun würde als in Ruhe auf einer großen sonnigen Weide Gras fressen und das durch diese surreale Situation einfach nur verängstigt ist.

Den Stieren von Terceira kommt die Gnade zu, dass sie nicht wie am spanischen Festland abgeschlachtet werden. Dort wurden in den letzten Jahrhunderten Stiere gezüchtet, die so aggressiv, muskulös und wendig sind, dass ein fairer Kampf Mensch gegen Stier für den Torero zu gefährlich erscheint. Deshalb werden dem Stier vor dem Kampf zwei Lanzen in den Nacken gestochen. „Picar“ nennt man das, also aufspießen. Dadurch wird das Tier doppelt geschwächt: Einerseits durch den beträchtlichen Blutverlust und andererseits dadurch, dass es seine wichtigsten Muskeln, nämlich jene die den Kopf heben, nicht verwenden kann, weil sie durchtrennt oder zumindest beschädigt sind. Ein Stier verteidigt sich indem er seinen Kontrahenten rammt, wenn der Kontrahent Pech hat im Zuge dessen aufspießt oder mit dem Kopf nach oben und/oder hinten schleudert. Je mehr ich also darüber nachdenke, umso absurder kommt mir die ganze „Institution Stierkampf“ vor. Auch wenn die Stiere in Terceira nur mindere Blessuren davontragen und nach den Kämpfen wieder auf ihre sonnigen Weiden gekarrt werden, bleibt mir ein schaler Nachgeschmack zurück. Ich finde es einfach nicht erfreulich, wenn Tiere für unsere Unterhaltung leiden müssen. Auch wenn das Leiden „nur“ aus Stress und Angst besteht und nicht aus einem von vorne herein frustranen und ungerechten Todeskampf.

Nach der Folklore-Hochdosis machen wir uns auf den Weg zur letzten der Azoren Inseln, die wir besichtigen werden: Sao Miguel, die Hauptinsel. Dort erkunden wir Sete Cidades, ein in einem Vulkankrater und an einem See gelegenes Dorf. Ja, richtig gelesen, es gibt hier tatsächlich ein Dorf mit See IN einem Vulkankrater.

Unser nächstes Ziel ist die Reunion mit Fedes Familie in Andalusien. Seine Tante, seinen Onkel und seine Cousins mit deren Familien hat er seit über einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen. Auch sein Papa wird entgegen dem Schwur, Andalusien im Sommer wegen höllischer Temperaturen nie wieder zu betreten, zu uns stoßen. Ich freue mich darauf, Fedes erweiterte Familie kennen zu lernen und ich freue mich auch darauf, danach zu Hause in Österreich anzukommen.

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